Inmittendrin

Wellenreiterin

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13. Jan. 2013
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"Sinnloses Grenzengepushe", singt Casper mir in mein Ohr, während ich das "Inmittendrin" geklaut habe von "Ein Blog von Vielen"; neue Lektüre, die vieles anstößt. Habe ich noch eigene Wörter?

Heute ist einer dieser Tage, an dene ich nicht raus möchte. Mich nicht erklären könnensollenmüssenwill. Die Schreiberin des oben genannten Blogs sagt dazu, dass sie "noch keine Haut habe", wenn sie sich so fühlt. Ich fühle mich "raw", wie rohes Fleisch, bloßgelegt vor der Welt und schmerzhaft auch vor mir selbst.

Alles ist anstrengend, sogar das Schreiben, obwohl ich genau dieses gerade brauche, das Fließen der Worte in mir nach außen, für das Innen, für das Außen, aber vor allem für das Außen. Gleichzeitig geht es mir so auf und an die Nerven, dieses Erklären, Rechtfertigen, Klarmachen. "Ich bin ein Mängelexemplar", sage ich zu meiner Therapeutin, und lache dabei. Dabei ist das nicht witzig, und auch nicht zum Lachen. Dauernd dieses Gefühl von "Es ist so nicht okay, wie es ist." Ich bin so nicht okay, wie ich bin. Was ich fühle, denke, wahrnehme, wird immer doppeltdreifach von mir seziert, auf Rechtefertigung untersucht, auf kausale Zusammenhänge auseinander genommen. Ist es okay, dass ich nicht okay bin? Dass ich erschöpft bin, dass alle Klänge und alles Licht mir zu viel wird, ich die Vorhänge nicht aufmachen möchte?, auch um die Welt draußen zu halten, weil sie drinnen vom Innen zu viel abverlangt. "Typisch Depression", denkt eine kleine Stimme, vielleicht die der Therapeutin, aber es ist nicht nur das. Ich funktioniere die ganze Zeit, und das verdammt noch mal gut.

Und heute will ich nicht. Mehr. Funktionieren. Ich will nicht an's Telefon gehen, wenn eine Freundin anruft, egal, was sie hat oder möchte. Denn sie wollen ja immer was. Ich will nicht. Vor allem mich nicht erklären müssen. Immer dieses "Aber warum ist das gerade so?" Weil. Darum. Punkt. Fühlt sich auch für mich vor mir nicht okay an, und das ist die Wurzel des Problems mit der Abgrenzung. "Ah, ja, weil du krank bist." (Wahlweise "behindert", aber weder krank noch behindert traut sich einer zu sagen. Ich ja auch nicht.) Nein, oder vielleicht. Aber ändert das was daran, _dass es mir so geht? Nein. Meine Realität, gefühlt und ge/er-lebt ändert sich nicht auf magische Weise, weil ich sagen kann: "Guck' mal, ich bin beschädigte Ware." Ich habe eine Diagnose, gut, drei, aber was bringt das für meine gelebte Realität? Verständnis muss erarbeitet werden, ich muss (mich) erklären, verteidigen. Und dann dieses "Wow, du machst das aber gut, dafür, dass.." Kotz. Ja, mache ich, aber ändert das was an der gequälten Lebenszeit, die ich oftmals verbringe? Wird durch verständnisvolles Nicken (nein, du weißt nicht, wie es mir wirklich geht!) und mitleidsvolle Blicke meine Lebensrealität erleichtert, habe ich dadurch weniger Not? Nein.

Und heute ist so ein Tag, wo es mir reicht. Ich werde trotzdem all die kleinen, erlernten, technischen Dinge tun, die helfen sollen. Wird es was bringen? Vermutlich ja. Meine Ohnmacht nimmt es trotzdem nicht von mir.

 
Mir gefällt nicht, dass Du gerade so tief mittendrin steckst. Aber mir gefällt, dass Du es hier rausgelassen hast. Es geschrieben, wie es gerade ist. Und ja, es gibt solche Tage und ja, die technischen Dinge wirken dann so sinnlos. Nichtsdestotrotz helfen sie - im Kleinen. Ich auf alle Fälle wünsche Dir Kraft! :trost:

 
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Ich weiß, wie deine Worte gemeint sind, und dafür danke ich dir.

Es nervt, dass Alle meinen, eine Idee davon zu haben, was und wer ich bin, wie ich sein sollte, dass es so eine übergriffige Form von Wollen und Bedürfnisse-an-mir-ausleben gibt. Es gibt in Jedem eine Vorstellung von seinem Gegenüber, davon kann ich mich nicht frei machen, und gerade kotzt es mich an. Ich bin nicht nur das von dem Gegenüber Wahrgenommene.

Ich bin nicht nur Patientin. Ich bin nicht nur Kollegin. Freundin. Tochter. Schwester. Enkelin. Studentin. Ich bin nicht nur gut oder schlecht in diesem oder jenen, ich bin nicht nur das misshandelte Kind, bin nicht nur die gemobbte Schülerin, die durch Suizid zurückgelassene beste Freundin, ich bin nicht nur die betrogene Ex, die unfruchtbare Frau, ich bin nicht nur Opfer des Verhaltens Anderer und nicht nur Täterin im Umgang mit Anderen.

Was ich bin, weiß ich manchmalmeistens selber nicht, aber ich finde es immer mehr heraus. Es ist anstrengend, schön. Schön-anstrengend und anstrengend-schön. Aber mindestens eine Mischung aus Allem, und lebenswillig.

Ich möchte nicht mehr gesagt bekommen, was ich wann wie tun sollte. Ich brauche das nicht (mehr). Weil das mein mich-spüren völlig verdrängt, mein mich-spüren verzerrt, wieder hin zu dem, was der Andere gerade von mir braucht: Mich als Patientin, Kollegin, Freundin, Tochter, Schwester, Enkelin, Studentin, Opfer, Kind, Täter, als Partner oder Helfer oder Retter oder als jemand zum drüber lustig-machen, zum ich-habe-es-ja-zum-Glück-besser-als-sie-haben, zum solange-es-nicht-so-schlimm-ist-wie-bei-X-denken.

Ich bin neben der Identifikation mit dem Krank-Sein auch ein Mensch, der sich außerhalb des Therapierahmens zu finden versucht. Ja, ich bin traumatisiert, depressiv und habe starke psychosomatische Schwerden durch meine ständige Überbelastung. Möchte ich trotzdem manchmal lieber saufen als Zuhause bleiben, weil den Kopf aus-schalten/trinken einfacher ist? Will ich ausprobieren _dürfen, was verschiedene Drogen mit mir machen, in vollem Bewusstsein, dass es danach schlecht sein könnte? Will ich zu lange aufbleiben (weil Schlaf eh beschissen ist, besonders dann, wenn ich mich auf mich konzentriere) _dürfen, und als 28jährige das Bedürfnis haben _dürfen, das zu leben, wonach mir ist? Will ich trotzdem das Gefühl haben _dürfen, hier zu sein, Dummes zu machen, aber das immerhin selbst entschieden zu haben? Darf mein Trotz gekoppelt sein mit diesem unbändigen Willen, Dinge für mich besser zu machen, _mich besser zu machen?

In manchen Momenten fühle ich mich auf eine Art mit Gewalt konfrontiert, für die die meisten Menschen weder eine Wahrnehmung noch eine Toleranz oder Akzeptanz haben. Der Gewalt, Anderen entsprechen zu müssen - in der Form, wie sie denken, wie ein Opfer zu sein und zu leben hat, was man können kann, was man wollen muss, was man wann fühlt und warum. Diese Gewalt wird mir immer bewusster und sie macht mich wütend, weil: DAVON bin ich dann ein Opfer. Wieder nicht gefragt worden, wie ich behandelt werden möchte, was mir gut tut, wieder wird nur im von Anderen festgelegten Rahmen geholfen oder verstanden. Bestes Beispiel: Studium wieder angefangen. "Was ist dein Ziel?" - Das Studium wieder anzufangen ist das Ziel. Und jetzt: lernen. Ein Abschluss wäre toll, im Job arbeiten noch besser. Werde ich das je können? Keine Ahnung. Ich weiß nicht, ob es je so stabil ist. Ob diese vorgegebenen Reglementarien, die nicht vorhandene finanzielle Unterstützung, die daraus resultierenden horrenden Arbeitszeiten und kaum zu stemmende Erschöpfung, mir _erlauben, das zu schaffen. Aber die Erwartungshaltung ist noch da: "Du machst das Studium für den Bachelor, den machst du für den Master, den machst du für die zusätzliche Ausbildung, die machst du für den Jon, den machst du für die finanzielle Absicherung, den machst du für die Rente [hier endlos fortsetzen]". Brauche ich den Abschluss, um eine bessere, vollständigere oder kompetentere Person zu sein, vor mir selbst? Nein. Brauche ich den Abschluss, damit ich mir beweisen kann, dass ich wenigstens irgendwas kann? Manchmal nein. Wer braucht dann meinen Abschluss so sehr? Ich?

Nein. Ich mache das, weil ich lernen will. Und ich will lernen, weil ich lernen will. Punkt. Und ich brauche das von-mir-brauchen-Anderer nicht. Denn _das ist die wahre Behinderung im Außen. Nicht das nicht-können, nicht-schaffen, nicht-wollen (manchmal). Das nicht dürfen, weil es nicht passt. Ich nicht passe.

[Ich habe zudem das ätzende Bedürfnis, mich für diesen Wortschwall zu entschuldigen, aber das will und werde ich nicht, und es ist auch kein Bedürfnis von _mir, sondern eine Intrusion.]

 
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Schreib es auf, wenn Du musst/willst/kannst/darfst... Tu es!

Und ja, ich verstehe Dich. Einfach mal nicht zu wollen, nicht zu müssen, nicht zu sollen. Ich kann mich nur nicht so gut ausdrücken, wie ich es gerne wollte und möchte. Und ich möchte Dir hier in keiner Weise irgendwie sagen, was Du tun sollst. Ich weiss nur von mir, dass gerade an diesen Tagen die technischen Dinge helfen - nicht für diesen einen Tag selbst, sondern für den nächsten. Auch wenn ich es an diesen Tagen nicht wirklich sehen konnte.

Was ich gut finde:

Nein. Ich mache das, weil ich lernen will. Und ich will lernen, weil ich lernen will. Punkt.
:super:  Top. Mach es für Dich. Für das Jetzt. Was danach kommt, kommt danach. Du wirst Deinen Weg finden!

 
Du kannst super toll schreiben, weißt du das? solltest mal an nem Blog oder sogar nem Buch überlegen...

Dumm bist du nicht liebe Wellenreiterin, das weißt du selbst. Und weißt schon besser über dich bescheid als jeder Andere hier. Ich will dir auch garnicht sagen was du machen sollst oder so... mich erinnert dein Schreiben nur daran, wie kreativ und auf eine Weise befriedigend es für mich gewesen war, wenn ich in Leidenszeiten getextet, gemalt, oder sonst was hab. Es ist irgendwie schön, sich selber auf den Zahn zu fühlen, oder?

Weiter so

 
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Noch so ein "Muss" - "I have to be sad", sagte ich soeben zu einer Freundin, nachdem sie auf ihren Vater und meine Mutter bezogen kommentierte: "Fuck'em!" Ja, "Fuck'em!", das wäre schön. Wenn's so einfach wäre. Aber die Angst ist da. Und damit auch meine Mutter. Auch ohne Kontakt.

Halbwaise zu sein, ohne dass der Andere tot ist, ist aber gar nicht so leicht. Noch viel schwerer ist es, wie ein emotionaler Blutbeutel zu sein - dazu da, um ausgesaugt zu werden. Man kann sich von seinen Eltern nicht scheiden lassen, sagt man, und doch ist das manchmal nötig.

Ich habe mich neben ihr, bei ihr, mit ihr, nicht gefühlt. Nicht mal als missbraucht oder unfair behandelt, denn dafür ging der Missbrauch viel zu tief - meine Gefühle waren nicht da, hatten nicht da zu sein, über sie zu bestimmen war ihr Recht. Meinen Körper zu beleidigen und mich mit ihm zu erniedrigen, weil sie sich auf eine Weise mit mir verglich, wie keine Mutter es mit ihrer Tochter tun sollte, war ihr eine Freude. Ich glaubte ihr und glaube ihr noch heute, wenn sie sagte, dass ich ein Wunschkind war. Sie wollte ein Kind. Nur eben nicht mich. Oder überhaupt jemanden, der eine eigene Persönlichkeit hat und ist. Knete wäre als Kind perfekt gewesen, zu formen nach dem eigenen Wunsch. Stumm sollte diese Knete sein, es sei denn, es ging um ihre mütterlichen Höchstleistungen. Stumm auch in ihrem Wahrnehmen, stumm in ihren Bedürfnissen. Gebraucht wollte meine Mutter werden, ohne gebraucht zu werden. Geliebt wollte sie werden, ohne zu lieben. Ohne Angst, selber wieder enttäuscht zu werden. Da ist sie wieder, die Angst. Ich habe sie geerbt. Mit der Muttermilch eingesaugt.

Ich habe heute kaum Worte, weil sie sie mir genommen hat. Meine Eloquenz, meine Intelligenz, meine emotionale Schlauheit, mein immer-auf-der-Hut-sein, all das geschärft von ihr, _gemacht von ihr, um mich Aushängeschild-Kind präsentieren zu können. Immer mit der Warnung versehen: "Alle Angaben wie immer ohne Gewähr!" Denn die Regeln machte sie, und wann und wie sie diese änderte, oblag auch allein ihr. Und die Regeln wurden befolgt. Aus Angst, aus Ohnmacht, aus purer Hilflosigkeit. Ihre drakonischen Strafen waren keine Prügel, ihre Strafe war Eis.

Ihre scharfe Zunge, ein strenger Blick, viel schlimmer als die Schläge von meinem Vater, viel schlimmer als jede Hand mir jemals hätte Schmerzen zufügen können. Und viel, viel effektiver. Und es ist ständig da, dieser Begleiter, Angst. Es ist eine Todesangst, die nichts damit zu tun hat, dass ich zum Beispiel nichts zu essen bekommen hätte. Ich bekam zu essen. Zur Vorspeise Lieblosigkeit, zum Hauptgang einen prüfenden Blick auf die Portionsgröße, zum Nachtisch einen Kommentar zu meinem Gewicht (und dass "ich so fett nie einen Mann abkriegen werde", eine Bewertung, die schon kam, als ich noch nicht mal in der Pubertät war).

Es waren Blicke, eine hochgezogene Augenbraue, ein zuckender Mundwinkel, die mich erstarren ließen. Da ist sie wieder, die Angst, der Kloß im Hals. Sie guckt, ich sehe es, sie sieht, dass ich es sehe. Sie weiß es. Sie hat mich. Wieder. Immer.

Erzogen zum lauten Schweigen - erzähl' viel, sag nichts! -, zur verzweifelten Abhängigkeit, ohne Bewusstsein dafür, dass der Puppetmaster wieder mit meinen Fäden spielt. Nicht fragen, nichts sagen, nicht weinen, nicht lachen. Nicht sein. Nichts sein.

Zu wenig zum Leben, zu viel zum Sterben. Genährt von Angst, getrieben von Angst, geleitet von Angst. Davor, vor lauter nicht-sein irgendwann wirklich nichts zu sein. Und gleichzeitig davor, durch nicht-nicht-sein viel zu laut zu sein. Viel zu sehr da. Zu sehen zu sein für sie. Ihrem Blick nicht zu entgehen.

Das gesellschaftliche Tabu, seiner Mutter den Rücken zu kehren, ist ein Stigma, dass ich mit mir herumtrage. Es ist eine gute Entscheidung gewesen, die richtige. Für mich. Aber wieder bin ich es, die falsch ist. Wieder bin ich es, die erklären muss. Die sich offenbaren muss - "Was, aber das ist doch deine Mutter!" Ja, und nein. Sie hat mich geboren (eigentlich nicht mal das..), ja, aber sie ist nicht die Mutter, die ihr in euren Köpfen habt, wenn ihr an Mütter denkt. Es ist ein noch größeres Tabu, dass man als Tochter ungeliebt ist, als dass eine Mutter etwas falsch machen könnte.

Während ich das schreibe, würgt mich die Erinnerung, würgen mich die Tränen. Ich weiß, "ich muss traurig sein". Diese Mutter betrauern, die so sehr zu bedauern ist. So allein muss sie gewesen sein, so voller Angst. So kontrollierend sein muss anstrengend sein. Auch sie wird sich nicht verstanden gefühlt haben, weshalb sie sich in ihre Grandiosität und in ihre Macht mir gegenüber geflüchtet hat. Oft geht es mir genau so, und dann sitzt die Angst mir auf der Brust und würgt mich mit der Frage, ob ich auch "so" bin. Denn ich bin auch allein gewesen, und so voller Angst. Ich bin auch kontrollierend, und davon ständig erschöpft. Ich bin zerfressen von Selbstzweifelt und fühle mich zu Großem geboren. Ich fühle mich nicht verstanden, ich mache großes Drama, oder bestrafe mit Schweigen. Ich, ich, ich. Bin ich meine Mutter 2.0?

Wenn mich die Tränen dann mit einem Mal nicht mehr würgen, weil es so verboten ist, was mit ihr zu tun hat; Wenn die Worte nur noch schön sind und nicht mehr echt, die ich dazu zu sagen habe; Wenn ich beim Tippen über mögliche Reaktionen darauf nachdenken; Wenn ich schon wieder etliche Beispiele geben möchte, um zu beweisen, dass sie im Unrecht ist und nicht ich - Dann bin ich näher bei ihr, als bei mir.

Und nichts ist gefährlicher. Außer vielleicht die Saat, die sie in mich gepflanzt hat, diese ständige Angst, die in meinem Nacken sitzt und mir übel werden lässt, die mich weiter zwingt und treibt und die ganz Sie ist. Und dann hat sie mich wieder, wenn ich mich nicht zu weinen traue und anzweifel, dass meine Gefühle Berechtigung haben. Dann hat sie mich wieder, wenn ich meistens nicht mal weiß, was für Gefühle ich gerade habe, oder ob die so okay sind. Dann hat sie mich wieder, wenn ich danach wie ein Zombie an die Wand starre.

Und gerade dann _muss ich traurig sein.

 
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In mir wohnen zwei Seelen.

Die eine, die mir nicht glaubt. Die spricht, was sie sprachen, die wiederholt, was wie Wahrheit klang: Du darfst nicht. Nicht sein. Traurig. Glücklich. Ängstlich. Wütend. Vor allem nicht wütend, denn dann ist man wer, dann ist man stark, dann ist man laut. Dann wird man gehört.

Dann gibt es da den anderen Teil, den kleinen. Mit dieser unfassbaren Wut und Traurigkeit, die niemals zu enden scheint. Dieser Teil duckt sich, vor dem, der laut sagt: "Sei still!", der ihre Worte wiederholt, so lange, bis kein Ton mehr kommt. Kein Weinen, kein Ärger, kein Atemzug.

Ich halte noch heute den Atem an, wenn ich etwas fühle, jemand bin. Ängstlich, traurig, wütend, glücklich, angespannt, müde - ich halte den Atem an. Kein Laut darf über meine sonst so offenen Lippen kriechen, denn das verrät mich. Jeder Atemzug in meinen Lungen könnte ein Seufzer der Erschöpfung werden, ein Schluchzer der Verzweiflung, ein Schrei, ein Schlag der Befreiung. Und das darf nicht sein, ich darf nicht sein. Das Gefühl wird eingeschlossen, versiegelt unter vorgespielter Heiterkeit und ausgelassener Stimmungsmache. Das Gefühl wird eingeschlossen, versiegelt unter meiner Kehle, verdammt zum Schweigen, in dem nicht-geatmeten Luftzug, der nicht in die Welt hinaus darf.

Diese gepressten, erdrückten Atemzüge, die unter meiner Kehle stecken bleiben, stauen sich auf, werden aggressive, laute Angriffe auf die Menschen um mich herum, die zu Zielen werden, statt Freunde zu bleiben. Sie schießen wie giftige Pfeile aus mir heraus, und all dieser schwarze Dreck von innen, all diese angestauten Gefühle, all diese erdrückenden Stimmen, schießen mit hinaus. Ich bin dann wie sie, wie die damals waren, und ich hasse mich dafür.

Die Gefühle, die da eingeschlossen, versiegelt wurden, sie würgen mich, sie sind die Welle, die Strumflut, die mich wegreißt. Also halte ich den Atem an, halte ich die Schreie innen, halte ich die Tränen an, halte ich die Zeit still, werde ich zu nichts - denn es könnte mich jemand hören, es könnte jemand hinschauen.

Ich wünschte, es hätte mich damals jemand gehört, gesehen. Gefühlt. Ich wünschte, es hätte einer verstanden, was mit mir passiert, _das etwas mit mir passiert. Ich wünschte, es wäre nur einer da gewesen, der Mitgefühl gehabt hätte, der nicht nur um sich selbst gekreist wäre. Ich wünschte, einer hätte den Mut gehabt, mich zu trösten, ich wünschte, einer hätte das alles von mir angenommen. Ich wünschte, ich hätte nicht so oft den Atem anhalten müssen. Ich wünschte, sie hätten mich nicht so oft getötet.

Ich wünschte, einer hätte mich sein lassen, ein Mensch sein lassen, mich ein Gefühl spüren lassen, ein Ich leben lassen.

Warum nur hat mir keiner zugehört? War ich nicht laut genug? War ich nicht stark genug? Waren die Strafen zu übermächtig, die Stimmen zu laut, der Ton zu scharf?

In mir wohnen zwei Seelen.

Die eine glaubt mir nicht. Sie schreit und treibt und schubst und fordert und sie hasst, hasst alles so sehr.

Und die andere duckt sich.

Sie hält den Atem an, immer noch. Denn wenn ich zu atmen versuche, wenn ich zu sprechen versuche, dann ertrinke ich, ersticke ich an meiner eigenen Trauer, an meiner Einsamkeit, sie überschwemmt meine Lungen, meinen Brustkorb, und sie tötet mich, tötet mich. Ich kann in diesem schwarzen Treibsand nicht schwimmen, nicht gewinnen, ich kann nicht atmen, nicht sein, nicht jemand werden. Er verschluckt mich, ganz, und meine Lungen füllen sich mit den kleinen Körnern, die mich von innen zerreiben, bis ich ganz zersetzt bin, bis ich wieder zu Staub werde, im Nichts verschwinde, aus dem ich gekommen bin.

 
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Er verschluckt mich, ganz, und meine Lungen füllen sich mit den kleinen Körnern, die mich von innen zerreiben, bis ich ganz zersetzt bin, bis ich wieder zu Staub werde, im Nichts verschwinde, aus dem ich gekommen bin.


Geht es danach weiter?

Oder ist "aus und schwarz"?

Könntest Du in letzterem Fall dann hier schreiben?

Anders gefragt: was ist eine Sehnsucht danach, dass etwas nicht ist?

Zen-Kreis.jpg

 
Hatte ja ein bisschen auf die erlösende Schwarmintelligenz gehofft. ;)


"Erlösen" tut ja angeblich nur der liebe Gott oder Petrus. Oder so.

"Schwarmintelligenz" heisst ja nur, dass 15 Viecherl alle das gleiche machen, weil sie nicht anders können. Nicht weil sie nicht anders wollen, sondern weil sie nicht anders können. Würde Dich also auch nicht "weiterbringen" wenn hier alle das gleiche posten, dieselben Zeilen desselben Inhalts, und auch noch behaupten, das sei nun "Intelligenz".

Das mit dem "Weiterbringen" ist überhaupt so ne lustige Sache, offenbar hat die @Charlies_Berta jetzt ja was zu lachen da es so lustig ist, grüß sie von mir und zwar mit gehörig gehorsamen Ernst! Versprochen?? :D

 
"Erlösen" tut ja angeblich nur der liebe Gott oder Petrus. Oder so.
Für mich nicht, für mich gibt es nur "lösen", ohne "er-". Das ist auch okay so.

Zweiteres war ein Witz, bezogen darauf, dass ich nachgefragt habe, wie du das gemeint hattest, mir das zu sagen aber vermutlich die einfachste "Lösung" wäre. Diese wäre zwar bequem, ist aber nicht immer sinnvoll.

Die lieben Grüße richte ich aus - und lachen tut sie doch sowieso immer, ist halt so, wenn man die Weltherrschaft schon so gut wie an sich gerissen hat. :)

 
Zweiteres war ein Witz, bezogen darauf, dass ich nachgefragt habe, wie du das gemeint hattest, mir das zu sagen aber vermutlich die einfachste "Lösung" wäre. Diese wäre zwar bequem, ist aber nicht immer sinnvoll.


Du bist momentan echt tief drin.

Zweiteres war ein Witz


Der Eine hat einen Witz gemacht, der andere auch; daran kannst Du auch erkennen, dass Du tief drin bist. Scheisse.

Das Gute ist, dass Du raus WILLST.

Du machst es aber zielgerichtet, damit ist es ein wenig...verdammt. Der Grat ist schmal - ES annehmen ohne dass ES einen verschluckt. DAS ist vielleicht Deine Hauptsorge. Die größte Angst.

mir das zu sagen aber vermutlich die einfachste "Lösung" wäre. Diese wäre zwar bequem, ist aber nicht immer sinnvoll.


Du bist so höllisch brav. Lieber Gott, bitte mach, dass Welly nicht brav zeigt dass sie so brav ist wie sie es artig gelernt hat.

 
Ich weiß nicht, ob das an mir vorbei zielt oder es genau trifft.

Das jedenfalls:

Du bist so höllisch brav. Lieber Gott, bitte mach, dass Welly nicht brav zeigt dass sie so brav ist wie sie es artig gelernt hat.
..Habe ich so verstanden, wie ich es gerade auch in der Therapie behandle: Bei mir geht es immer um Bewertungen, vor allem die Be-/Abwertung meiner Person. Wo ich nicht die Rolle einer "guten" (hier einfügen: Freundin, Tochter, Patientin, etc.) einnehmen/aus-/erfüllen kann, fange ich an zu schwimmen. Gleichzeitig gibt es sehr viel innere Auflehnung gegen genau diesen (Selbst-)Anspruch. Es ist verzwickt, ich versuche dem durch tägliche Wahrnehmungsübungen ohne Bewertung Stück für Stück bei zu kommen.

Wie geht es dir? Bist du okay? Kannst auch gerne per PN schreiben. 

 
Ich weiß nicht, ob das an mir vorbei zielt oder es genau trifft.


Auf jeden Fall Zufall! Zu Fall!

Kannst auch gerne per PN schreiben. 


Auch; aber da Du nicht allein bist mit Deiner Hölle, will ich die eine oder andere Frechheit hier coram publico platzieren, damit andere, die auch durch diese Hölle müssen, es lesen können. Du bist nämlich in Wirklichkeit nicht allein mit und in Deiner Hölle.

 
@Manana

Dein Ernst was Du hier so schreibst? Oder hast nur ein prima Versteck gefunden?

HAST Du da etwas?

Geht schnell.

Ich nehm's Dir auch schnell wieder weg.

 
Dein Ernst was Du hier so schreibst?


Todernst -- das kann die TE bestätigen! Ernstnehmen! Sonst ist Sense, Mann!

HAST Du da etwas?


Was wo nö hab da nix was meinste ach DAS hinter meinem Rücken

Das ist nichts.

Im Ernst.

Ich schwöre! Und ich schiebe die TE vor, falls Du kontrollieren willst, weil ich weiß, dass die TE immer brav durch jede Kontrolle kommt. Seit jeher lässt sie sich vorschieben und wir, die dahinter, haben es bequem.

Ausserdem wäre da eh nix zu finden falls Du - Du kontrollsüchtige, übergewichtige, einsame und frustrierte Frau - kontrolleren kommst. Die Welly schieb ich aber trotzdem vor...

 
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